Wolfgang-Borchert-Gymnasium Langenzenn
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„Death“ von Melvin Burgess

death*** Ich wurde über den Tisch gezogen...
Meine Freundin wurde in einem Aufstand von Demonstranten niedergetrampelt und starb kurz darauf an inneren Blutungen. Das war für mich der Auslöser, der mich dazu gebracht hat, Death zu nehmen. Ich sah keinen anderen Ausweg mehr, als zu sterben- und davor noch die schönste Zeit meines Lebens zu haben. Doch nach dem ersten Tag kam dann die herbe Enttäuschung... Jeden Morgen wachte ich auf und fühlte mich zwar wie der König der Welt, machte Handstände, Saltos von unserem Balkon aus dem ersten Stock, doch die Abende waren für mich die Hölle auf Erden. Meine Gefühle glichen einer unkontrollierten Achterbahnfahrt. Ich verkroch mich in einer Zimmerecke und konnte nicht anders als den Tränen freien Lauf zu lassen und alles, woran ich währenddessen dachte, war meine tote Freundin. Die Trauer riss mich wie eine gierige Welle mit sich. Heute ist der vorletzte Tag, der mir noch zum Leben bleibt und es scheint, als hätte mein Körper den Alterungsprozess rasend schnell durchlaufen. Man mag es mir vielleicht nicht ansehen, aber meine Gelenke schmerzen und mein Kopf dröhnt. Death habe ich mir wirklich anders vorgestellt... Bei Jimmy Earle und den Anderen sah alles so befreiend, so spaßig aus... Mir geht es, als hätte ich etwas von dem billigen Fusel erwischt, den sie im Laden bei uns um die Ecke verkaufen, der neulich von ein paar Deathern überfallen wurde.

So könnte ein kurzer Erfahrungsbericht eines Jungen aussehen, der die Droge Death, um die es in dem Buch „Death“ von Melvin Burgess geht, geschluckt hat. Death ist die ultimative Droge. Eine Woche lang erlebst du den besten Trip deines Lebens, dann pünktlich auf die Minute stirbst du am achten Tag. Obwohl der Preis für ein bisschen Spaß so hoch ist, zahlen ihn immer mehr Menschen der dystopischen Gesellschaft des Buches, da sie das Leben nicht mehr als lebenswert erachten. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Der öffentliche Tod des berühmten Sängers Jimmy Earle ist der Auslöser für eine Revolution, geleitet durch die Widerstandsgruppe der Zeloten. Als Adams Bruder stirbt und sich herausstellt, dass dieser ebenfalls ein Mitglied der Zeloten war, entschließt sich Adam, der nun gezwungenermaßen Alleinversorger der Familie wäre, es tausenden anderen verzweifelten Jugendlichen gleichzutun und ebenfalls die Droge zu schlucken, die er vom Freund seines Bruders entwendet hat. Hier endet Teil 1 des Buches „Death“ und Teil 2 „Die Liste“ beginnt. Darin wendet sich Adam an seine Freundin Lizzie und bittet sie, seine letzte Woche mit ihm zu teilen. Sie fertigen eine Liste an, auf die sie Dinge schreiben, die Adam noch vor seinem Tod tun will. Doch als sie dabei sind, einen der Punkte abzuarbeiten, wird Adam von der Polizei geschnappt und Lizzie wendet sich in seiner Abwesenheit an Christian, den Sohn des Leiters einer illegalen Death-Fabrik. Sie geht einen folgenschweren Deal ein, um für Adam ein Gegenmittel zu beschaffen, da sie nicht mitansehen kann, wie er vor ihren Augen stirbt. So wird sie zur Gefangenen des verrückten Christian. Im letzten Teil 3 „Revolution“ gelingt es Lizzie sich aus Christians Fängen zu befreien und sie landet auf dem Gelände der Death-Fabrik, wo sie auf Adam trifft. Können sie es schaffen gemeinsam zu fliehen und werden die beiden ein Gegenmittel für die todbringende Droge finden?

DEATH

„Death“ beschreibt ein Zukunftsszenario, welches in nicht allzu ferner Zukunft liegt und durchaus realistisch zu sein scheint. Die Aufmachung des Buches hat mich sofort begeistert. Das Cover ist sehr schlicht gehalten, fällt aber trotzdem gleich ins Auge durch den giftgrünen Schriftzug „DEATH“, der senkrecht auf dem Cover steht. Außerdem ist eine rot-weiße Pille mit einem Totenkopf zu erkennen. Der Klappentext ist in Form eines Buchauszuges zu lesen und setzt die Erwartungen an das Buch sehr hoch.

Überwältigende Einleitung

Teil 1 wird den Erwartungen mehr als gerecht. Adam ist ein lebensfroher Junge mit vielen Träumen und stammt aus der sozialen Unterschicht der Gesellschaft, womit er sich aber abfindet. Seine Freundin Lizzie hingegen tritt sehr naiv auf und wirkt abgehoben und ich hegte keine großen Hoffnungen, mich mit ihr im Verlauf der Geschichte anfreunden zu können, was sich aber später noch ändern sollte. Es hat mich sehr mitgenommen, als dann Adams „perfekte“ Welt mit dem Tod seines Bruders zusammenbricht. Von der einen auf die andere Sekunde wird seine Vorstellung von der Zukunft über den Haufen geworfen. „Gänsehaut pur“ heißt es für den Leser, als Adam in seiner Verzweiflung mehrere folgenschwere Entscheidungen trifft. Ich war zutiefst erschüttert, als er sich entschließt, Lizzie, die er liebt, zu benutzen und sie mit einem gemeinsamen Kind für immer an sich zu binden. Noch viel ergreifender war für mich aber der Moment, in dem Adam das Leben aufgibt und die Pille „Death“ schluckt. „Er lag da. Was hatte er getan? Nicht viel, dachte er. Was hatte er zu verlieren? Nicht viel.“ (S.100).

Wie weit würdest du gehen?

Doch ab diesem Punkt stehe ich dem Buch mit sehr widersprüchlichen Gefühlen gegenüber. Adam entwickelt sich vom netten Protagonisten in einen egoistischen Ekel. Zunächst kann man seine Beweggründe sehr gut nachvollziehen, wird man doch selbst unumgänglich dazu angeregt, darüber nachzudenken, was man selbst als Deather tun würde. Eine Bank ausrauben? Die Grenzerfahrungen der Menschheit machen? Etwas in der Welt hinterlassen oder bereuen und einfach warten, bis alles vorbei ist?

So kommt es also, dass Adam Lizzie anfleht, mit ihm die letzte Woche seines Lebens zu verbringen. Obwohl sie zunächst mit sich ringt, stimmt sie doch zu, da sie Adam nicht im Stich lassen will. Jetzt beginnt eine wilde Zeit. Die beiden tun das, was Adam schon immer tun wollte, brechen Regeln. Adam müsste eigentlich die beste Zeit seines Lebens haben, oder? Dementsprechend war ich verwirrt und gleichzeitig enttäuscht, dass der Junge an manchen Stellen weinend in einer Ecke sitzt und ohne ersichtlichen Grund am Boden zerstört ist, vielleicht auch weil er merkt, dass er immer noch am Leben hängt. Death hat etwas anderes versprochen. Sagt es nicht, dass du den Rausch aller Räusche haben wirst? Zwar wird das Geheimnis um „Death“ schlussendlich gelüftet, trotzdem hatte ich mir etwas Anderes erhofft. Die Forderungen, die aus Adams Situation entstehen, lassen den Leser vereinzelt aufstöhnen, weil es unmöglich ist, wie er sich Lizzie gegenüber, der Einzigen, die sich um ihn kümmert, verhält.

Liebe, Drama, Spannung und eine gehörige Portion Humor.

Trotzdem ist „Death“ ein Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte, hat man einmal zu lesen angefangen. Immerhin bringt es alles mit, was ein Buch braucht. Liebe, Drama, Spannung und eine gehörige Portion Humor. Häufig musste ich schmunzeln, wenn das Kapitel aus Christians Perspektive erzählt wurde. Der Sohn des Leiters der Deathfabrik ist mit Sicherheit unausstehlicher als Adam selbst, trotzdem waren seine Wutausbrüche, sein Verhalten und vor allem seine urkomische Beziehung mit Vince - vielmehr Aufpasser als Bodyguard - sehr unterhaltend. Durch Christian entstehen viele lustige und zugleich verrückte Dialoge. „Death“ ist abwechslungsreich und vor allem gut durchdacht, was der Perspektivenwechsel zwischen Adam, Christian und anderen Personen verdeutlicht, welcher dem Leser einen detaillierten Einblick in das Zukunftsszenario und die beschriebene Lage gibt. Trotzdem fehlt an manchen Stellen eine Erklärung der Vorgeschichte und Hintergründe.

Lesenswert, aber kein Bestseller

Obwohl das Buch in gut verständlicher Sprache verfasst ist, ist es dennoch an junge, anspruchsvollere Leser gerichtet und gibt Stoff zum Nachdenken. Immer wieder wird man mit der Frage konfrontiert: Wie weit würde ich gehen? Handeln die Protagonisten richtig? Was würde ich in einer solchen Extremsituation tun? „Death“ kann man zwar in einem Rutsch durchlesen, an manchen Stellen ist man aber gezwungen kurze Pausen zu machen, manchmal durch Augen-Verdrehen, an manchen Stellen durch Schmunzeln, am häufigsten aber durch entsetztes Keuchen oder fassungsloses Schlucken. Zum einen fiebert man gespannt dem Ende entgegen, zum anderen möchte man das Unvermeidbare nicht wahrhaben: „[Adam] war fähig zu tun, was immer er wollte... Und dann würde er sterben.“ (S. 104).

Evelyn Wolf, Q 11

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