Wolfgang-Borchert-Gymnasium Langenzenn
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„Das Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst“ von Wendy Mass

nachtischGestatten: Jeremy Fink

Jeremy Fink ist auf den ersten Blick ein ganz normaler Halbwüchsiger. Auf den zweiten Blick jedoch erkennt man einen schrulligen, aber liebenswerten Jungen, der mit seiner Mutter in New York lebt, ein Mädchen als besten Kumpel hat und sich für Zeitreisen interessiert. Sein Vater starb bei einem Autounfall, als er acht Jahre alt war. Leider nichts Ungewöhnliches möchte man meinen, doch mit Jeremys Vater hat es eine besondere Bewandtnis.

Als dieser selbst 13 Jahre alt war, prophezeite ihm eine alte Wahrsagerin, dass er mit 40 sterben werde. Jeremys Vater richtet daraufhin sein ganzes Leben nach dieser Vorhersage und stirbt recht pünktlich mit 39 Jahren, doch nicht ohne Vorkehrungen für seinen Sohn getroffen zu haben. Und so kommt es, dass Jeremy knapp einen Monat vor seinem 13. Geburtstag eine geheimnisvolle Kassette mit vier hochkomplizierten Schlössern erhält, die den Sinn des Lebens enthält und die er an seinem Geburtstag öffnen soll. Blöd nur, dass der Absender der Schatulle die Schlüssel verlegt hat! Nachdem Jeremy und sein bester Kumpel Lizzy alle Mittel der Brachialgewalt erfolglos ausgeschöpft haben, machen sie sich auf die Suche nach den verlorengegangenen Schlüsseln. So schwer kann das in einer von acht Millionen Menschen bewohnten Stadt ja nicht sein – oder? Ihre Odyssee durch New York bringt die beiden mehr als einmal in Schwierigkeiten. Als sie beim Einbruch in ein leerstehendes Büro ertappt werden, bekommen sie Sozialstunden aufgebrummt, die sie bei Mr. Oswald, einem Antiquitätenhändler, ableisten müssen. Während sie die Aufträge dieses alten Mannes ausführen, lernen sie viele unterschiedliche Menschen und ihre Vorstellungen vom Sinn des Lebens kennen.

 

Kann man den Sinn des Lebens in ein Holzkästchen packen?

Jeremy kann es sich nicht vorstellen und beginnt sich intensiv mit dem Sinn des Lebens zu beschäftigen. Leicht ist das nicht, denn jede Person, der Jeremy und Lizzy begegnen, hat ihre ganz eigenen Vorstellungen vom Sinn des Lebens. Verständlich, dass den beiden Jugendlichen schon bald der Kopf raucht angesichts dieser schier unlösbaren Frage. Doch während Jeremy den Schlüsseln hinterherjagt, sammelt er wertvolle Erfahrungen, die seinen Horizont erweitern und ihn reifen lassen, sodass er, auch als alles hoffnungslos scheint, glücklich über das scheinbar nicht zu öffnende Kästchen ist.

„Wie Wendy Mass die Teilchen der Handlung zusammenfügt, das ist die hohe Kunst des Erzählens.“ (Süddeutsche Zeitung)

Der Autorin gelingt es, den Leser nicht mit Ideen und Erklärungen zu erschlagen, obwohl sie ihre Hauptpersonen schier zur Verzweiflung treibt. Die verschiedenen Entwürfe werden recht gut portioniert und ohne einen belehrenden Unterton an den Leser gebracht, sodass man die Chance hat, sich seine eigenen Gedanken zum Sinn des Lebens zu machen. Trotz der zum Nachdenken anregenden Geschichte kommt der Spaß beim Lesen auch nicht zu kurz, da die Schrullen und Erlebnisse der handelnden Personen immer wieder zum Schmunzeln einladen. Schließlich tritt nicht jeder 12-Jährige im zu kurz geratenen Röckchen auf einem Jahrmarkt auf. Ein weiterer Pluspunkt ist der angenehme Spannungsverlauf des Buches, denn obwohl man auf der Suche nach den Schlüsseln ordentlich mitfiebert, kann man das Buch auch mal kurz zur Seite legen, um das Gelesene geistig zu verarbeiten.

Einziger Kritikpunkt ist die meiner Ansicht nach etwas unglückliche Wahl des Titels. Dieser motiviert nicht besonders zum Lesen des Romans, weil er keinen Hinweis auf den spannenden Inhalt gibt und so seine eigentliche Zielgruppe, nämlich Jugendliche, nicht sofort anspricht. Schade, denn hinter dem nichtssagenden Titel steckt ein Buch voller Überraschungen.

Alles in allem ist es Wendy Mass hier aber gelungen, den Sinn des Lebens in einen ebenso spannenden wie nachdenklichen Roman zu packen.

Charlotte Schmitt, Q11

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