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Auffällig anders – Früher Fluch, später Segen?

Eine Rezension zu „Das deutsche Krokodil” von Ijoma Mangold
Von Noah J. Schöberlein

krokodilIjoma Alexander Mangold, eigentlich 2:1 für Deutschland also, ein Name wie eine Metapher für einen Mann, der schon seit Geburt stets auffällig anders war. Der Vater ein nigerianischer Arzt, Grün-Weiß die Farben seines Landes, genauso wie ein Krokodil. Doch beim Gedanken an ein solches kommt dem Autor dieses Buches kein Tier, nein, ein Zug in den Sinn, „das deutsche Krokodil”. Von außen grün-weiß, doch der Rest ist völlig deutsch, ganz wie er, gar nicht so einfach für den jungen Ijoma.

Mit seiner Autobiographie „Das deutsches Krokodil” wagte der deutsch-nigerianische Feuilleton-Literaturkritiker Ijoma Mangold 2017 den Schritt als Autor. Mal ernst, oft spielerisch und ständig demütig blickt er auf sein damals erst 47-jähriges Leben zurück. Funktioniert das, fragt sich manch einer, gelten Biographien ja meist als Memoiren am Ende des Lebens? „Ja, das tut es”, erwidert Mangold, und ich kann nur hinzufügen „..großartig sogar !”

So früh sich schon so fern

Die Geschichte Mangolds beginnt im Heidelberg der 70er Jahre, sein nigerianischer Vater verschwand nach seinem Medizinstudium sofort wieder in seine afrikanische Heimat, nicht ohne mit einer deutschen Psychotherapeutin ein Kind gezeugt zu haben. Hinterlassen hat er diesem dessen Vornamen und Hautfarbe. Dass ein so fremder Mann, der für ihn nicht mehr als nur seinen Erzeuger darstellt, ihn so als dessen Sohn brandmarkt und für jeden erkennbar macht, stößt bei Mangold lange auf Unverständnis. Auch aus seiner Mutter, die den Vater ihres Sohnes trotz all des ihr zugefügten Schmerzes immer noch nicht vergessen konnte und noch lange liebte, wurde er nicht schlau. Sie verhielt sich stets sonderbar, unterschied sich in Verhalten und Denkweisen so schrecklich von anderen Müttern, dass er auch auf sie keinen so rechten Stolz empfinden konnte und sich beide dementsprechend emotional nie wirklich nahe kamen.

krokodil2Auch er selbst ist seinem kindlichen Ich verblüffend fern. So bezeichnet sich Ijoma Mangold bis zu seinen späten Jugendjahren immer nur als „den Jungen”, erst dann wechselt er in die Ich-Perspektive, als wollte er durch das Schreiben in dritter Person bzw. Beobachterperspektive seinen großen emotionalen Abstand zu seinem jungen, wohl noch unreflektierten Ich widerspiegeln, das so wenig von sich, seiner Identität und der Welt verstand. Dieser Aspekt, des von Geburt an erfahrenen Fluches, des „Fremdseins”, den man bei Mangold immer wieder erkennen kann, ist ganz charakteristisch für seine Biographie. Sei es gegenüber seinem eigenen jüngeren Ich, seiner Hautfarbe und seinem Namen, seiner Mutter und später auch aufgrund seines Auftretens als schwarzer Intellektueller. So zieht er auch beim Besuch von Opern große Aufmerksamkeit auf sich, höchst anerkennende Blicke für einen so „kultivierten Schwarzen”, dem solch hohe Kunst doch eigentlich fremd sein müsste. Auffällig anders zu sein, merkt der junge Erwachsene, kann also auch Segen statt Fluch sein.

Der verlorene Sohn?

Nach seinem Literatur- und Philosophie-Studium in München und dem italienischen Bologna arbeitet er sich langsam in den Feuilleton-Redaktionen der „Süddeutschen Zeitung” und später der „Zeit” hoch. In seinem Buch spielen diese Karriereschritte doch eine überraschend kleine Rolle, steht im Mittelpunkt des Werkes doch viel mehr Mangolds persönlicher ethnischer Konflikt, der durch ein verhängnisvolles Treffen nur noch verschlimmert wird.

krokodil3Als er mit 22 Jahren beschließt, seinen Vater und dessen neu gegründete Familie in Nigeria zu besuchen, bittet dieser Ijoma, den von ihm besetzten Dorf-Chief-Posten zu übernehmen. Mangold fühlt sich wieder fremd, seine Identität ist die eines Deutschen, nicht die seines Vaters, der sich für seine blutsverwandten Stammeskollegen verantwortlich fühlt. Er lehnt das Angebot ab und auch über ein Jahrzehnt Überzeugungsarbeit lassen Mangold nicht umdenken. Seinen Vater betrübt dies zutiefst.

Schutzengel

Im Anschluss an dieses im Buch am ausführlichsten geschilderte Kapitel über seine nigerianische und Stammes-Herkunft, Berufung, Identität und Hautfarbe geht er mit Letzterem nochmals intensiv ins Gericht. Emotional schildert er schmerzhafte Erfahrungen und alltagsrassistische Erlebnisse, die ihn tief geprägt haben. Dabei kommt er zum Schluss, dass diese ohne den fürsorglichen Schutz seiner Mutter wohl noch negativ-prägender ausgefallen wären und zeigt sich gerührt dankbar.

Das Ende des Buches nutzt Mangold für eine überraschend tiefgehende Liebeserklärung an seine an Krebs verstorbene Mutter, der er nie so wirklich danken konnte und an deren Lebensende erst erkannte, was sie im Hintergrund alles für ihn geopfert hatte. Zudem nutzte er die Chance, um seiner nigerianischen Halbschwester zu danken, die ihm seit Mangolds Nigeria-Besuch immer eine große emotionale Stütze war.

Ein Schlusssegen

Abschließend zeigt sich Mangold für vieles in seinem Leben sehr dankbar, erst im Rückblick kann er den Segen in den Ereignissen und Menschen entdecken, die er zuvor verfluchte. Wer einfach nur ein Buch über einen Literaturkritiker, dessen tägliche Arbeit und Erfolge lesen möchte, ist bei „Das deutsche Krokodil” falsch. Wer den Menschen Ijoma Mangold, der sich nie so wirklich zugehörig fühlte, erst spät lieben lernte und immer mit seiner „Mischlings-” Identität haderte, wirklich verstehen will, dem ist dieses Buch wärmstens zu empfehlen. Als ein literarisches, emotionales und rhetorisches Feuerwerk geschriebenes Mitfühl-Buch ist diese Midlife-Biographie auffällig anders.

Verlag: Rowohlt Taschenbuch
Seiten: 352
Preis: 12 €
Erscheinungsdatum: 20.11.2018
ISBN: 978-3-499-63216-7

Eine Rezension von Noah Schöberlein, Q12

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